An  de  Eck  steiht'n  Jung  mit'm  Tüdelband

Dieses alte plattdeutsche Lied hat mit der Freikörperkultur nicht gerade viel zu tun - es ist eigentlich mehr das Spiel, welches ich an dieser Stelle vorstellen möchte, dazu noch das Lied und eine kurze Geschichte zu den Brüdern Wolf.

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Mit dem Begriff „Tüdelband” bezeichnet der Hamburger nicht nur einen einfachen Bindfaden,
sondern auch einen Eisenring für Holzfässer, bekannt auch als Trünnelband oder Trudelreifen.

Diese großen Eisenringe wurden damals von den Kindern gerne als Spielzeug genutzt, wobei
sie den Reifen mit der Hand oder mit Stockschlägen durch die Gassen trieben („un he rasselt
mit'n Dassel gegen Kantsteen”).

Ein Spiel, welches man durchaus wieder aufleben lassen kann.
Nur so zum Spaß, oder als kleinen Wettkampf bei einem Kinderfest.
Da man heute nur noch recht schwer an solche Eisenringe heran kommt, kann man von ausgedienten alten „Drahteseln” einfach die Räder nehmen und die Speichen entfernen. Mit etwas Glück kann man die alten Räder in einem Fahrradgeschäft geschenkt bekommen. Um die Reifen voran zu treiben, nimmt man entweder die Hand, oder einen Stock. Dabei ist es nicht leicht, den Reifen so voran zu treiben, dass er gerade läuft - ist er zu langsam, gerät er leicht ins trudeln. Es ist also auch gleichzeitig ein Geschicklichkeitsspiel, besonders, wenn man noch ein paar Hindernisse aufbaut. Man kann aber auch einfach nur eine gerade Strecke auf Zeit laufen.
Natürlich funktioniert das Spiel auch mit einem ganz gewöhnlichen Hula-Hoop-Reifen, den es in jedem Spiel- und Sportwaren-Geschäft zu kaufen gibt.
Im alten Griechenland kannte man offensichtlich dieses Spiel auch schon, wie die Abbildung des Ganymed (→ 4) zeigt.


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Bildquellen:
(1) © unbekannt / Internet
(5) Kabinettfotos
(6) Frankreich - um 1910
(7) unbekannter Stich - um 1570

Mit freundlicher Genehmigung:
(4) © Decourtnerey

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Bild 8
Ausschnitt aus dem Gemälde „Die Kinderspiele”
des niederländischen Künstlers Pieter Bruegel
dem Älteren
(um 1525/1530 bis 1569)
Pieter Bruegel d.Ä. bei Wikipedia

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Bild 9
Stich von Conrad Meyer (Zürich/Schweiz)
um 1657.



Bild 10
Zeichnung von Claudine Bouzonnet-Stella
(1636-1697)

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Bild 11
- Fotograf leider unbekannt -
Aufnahme offensichtlich aus den späten
1940er, bzw. frühen 1950er Jahren.


Bild 12
Horace Emile Jean Vernet (1789-1863)

Bild 13
Francesco LaMonaca (1882-1926)

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Bild 14
„Corre goma” („Gummi laufen lassen”).
Bild des zeitgenössischen Malers Evoca
(USA)

Bild 15
Aus einem englischen Schulbuch
ungefähr Anfang des 19. Jahrhunderts

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Bild 16
Aus einer russischen Fibel - ca. 1950er Jahre


Bild 17
USA - ca. 1920er Jahre
- Fotograf unbekannt -
So sieht es dann aus, wenn man die Reifen
(Felgen) mit einem Holzstab voran treibt.

Bild 20
Nationaltheater Mannheim → Detail des
Gemäldes von Matthias Artaria (1814 - 1885

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Bild 18
Porträt von Nathan Mayer Victor Rothschild,
gemalt von dem Hofmaler Josef Arpád Koppay
im Jahr 1914


Bild 19
„Boy with tire” gemalt von Sir William Beechey
(1753 bis 1839).

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Noch ein paar alte Kabinett-Fotografien
Ob Deutschland, England, Österreich, Frankreich, oder, oder ... das Spiel mit dem Reifen treiben war vielerorts sehr beliebt, beim Adel, wie auch
beim „einfachen” Volk. Und mit diesem - damals - sehr beliebten Spielgerät wurde man auch gerne abgebildet.

Es wäre doch sehr schön ...
... wenn man dieses tolle Bewegungs- und Geschicklichkeits-Spiel wieder aufleben lassen könnte - in der Freikörperkultur ... bei Kinderfesten,
zum Beispiel. Dabei bedarf es nicht unbedingt gleich ein Fest !



Das Lied

An de Eck steiht'n Jung

An de Eck steiht'n Jung mit'm Tüdelband, in de anner Hand'n Bodderbrod mit Kees. Wenn he bloß nich mit de Been in Tüdel kommt, un do liggt he ok all long op de Nees. Un he rasselt mit'm Dassel gegen'n Kantsteen, un he bit sich ganz jehörig up de Tung. Als he upsteiht, seggt he: Dat hett nich weh dohn, dat is'n Klacks för so'n Hamborger Jung!

Refrain
Jo, jo, jo, klaun, klaun, Äppel wüllt wi klaun, ruck-zuck över'n Zaun. Ein jeder aber kann dat nich, denn he muß aus Hamborg seen.

An de Eck steiht'n Deern mit'm Eierkorf, in de anner Hand'n groten Buddel Rum. Wenn se bloß nich mit de Eier op dat Ploster sleight, un da seggt dat ol all lang: „Bum - bum” Un se smitt de Eiers un de Rum tosomen, un se seggt: „So'n Eierkoken hebb ick geern!” As se opsteiht, seggt se: „Hett nich weh dohn, dat is'n Klacks för so'n Hamborger Deern!”

Die Noten hier als PDF zum Download




Brüder Wolf

Kurz-Biographie:
Die Brüder Ludwig (1867-1955), Leopold (1869-1926) und James (1870-1943) waren die Söhne des jüdischen Schlachtergesellen Isaac. Wegen des schon damals latenten Antisemitismus nahmen die Brüder den Künstlernamen „Wolf” an und arbeiteten als „Wolf-Trio - Bestes deutsches humoristisches Herren-Gesangs-Terzett”. Sie errangen beachtliche Popularität und Anerkennung - trotzdem verließ James 1906 das Trio, um sich mit einem Zeitungsgeschäft selbständig zu machen. Ludwig und Leopold machten als die Gebrüder Wolf weiter.
1924 nahmen Ludwig und Leopold Isaac ihren Künstlernamen „Wolf” auch als bürgerlichen Namen an.
1926 stirbt Leopold und James nimmt seinen Platz nun ein. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden die Auftritte der Gebrüder Wolf, aufgrund ihrer jüdischen Abstammung, verboten.
1942 werden die Brüder in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt, wobei Ludwig wieder nach Hamburg zurückkehren durfte. James wird 1943 in Theresienstadt ermordet.
Im Alter von 88 Jahren stirbt Ludwig Wolf an seiner Herzschwäche in Hamburg.

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